Adivasis, weil es sie gibt

Adivasis, weil es sie gibt

 

 

Wir wollen die Adivasis unterstützen, weil es sie gibt.

Wer die Adivasis sind, die indischen Ureinwohner, wollen wir berichten, über ihre Geschichte, ihre ethnische Herkunft, Kultur und Identität und über ihre gesellschaftliche Ausgrenzung und Unterdrückung. Insbesondere können wir  über die Kuwi-Adivasi im Gebiet von Koraput District im südlichen Odisha berichten.

 Unsere Solidarität für die Adivasis  haben wir aus unserm Engagement für die Kooperative der AAABB und ihren AdivasiKaffee. Freundschaft für die Adivasis habe ich, weil ich in Indien  bei den Kuwi Konds aufgewachsen bin in einer Missionarsfamilie in den 1950er Jahren und ich noch die ursprünglichen unberührten Kuwi-Dörfer in Koraput Distrikt Odisha erlebt habe. Wir haben den in Orissa stattfindenden gesellschaftlichen Wandel in den letzten 50 Jahren miterleben können, den Übergangsprozess der Kuwi-Konds von ihren Ursprüngen in die indische Moderne.

Wenn die Adivasi bestehen wollen, wenn sie Bürger in ihrem eigenen Land Indien sein wollen, müssen sie sich integrieren und werden sie integriert werden. Aber ihre durch die Hindu-Gesellschaft und den indischen Zentralstaat betriebene Integration erleben die Adivasi als Assimilierung und damit als Vernichtung ihrer Identität, ihrer Grundlagen und ihrer Zukunft. Im indischen Hindu-System gibt es sie nicht. Die Gemeinsamkeiten der indischen 90 Millionen Adivasis mit den Dalits, den Kastenlosen, liegen in ihrer beider Unterdrückung durch die moderne Industrialisierung, die innerstaatliche Kolonialisierung und die Marginalisierung durch das Kastensystem und den indischen Mainstream.

Kond Adivasi mit tengyaAxt. Balingi. 1994.  foto: ESpk

Wer sind die Adivasis?

Das kuwi-gaon, das Kuwi-Kond-Dorf, ist heute noch zu erkennen an seiner Sai, seiner typischen zwei sich traditionell gegenüberliegenden Häuserhüttenreihen ehemals unter zwei durchlaufenden damals typischen Grasdächern und heute seit 50 Jahren Ziegel- und Wellblech-Dächern. In der Sai, in der ´Dorfstraße` zwischen den Häuserreihen finden das gemeinsame Dorfleben und die Festtänze statt. Hier sitzen die Männer des Dorfes nach der Feldarbeit an dem traditionellen Steinkreis am Abend um das Dorffeuer bis zum Dunkelwerden. Die Kuwi-Konds haben auf ihren Berghängen mit Mandja-Fingerhirse ihre khuddiyas, ihre typischen Felder-Wachhütten auf sechs Stelzenbeinen. Ihre nördlichen Nachbarn, die Kuttia Konds, sind  nach ihren khuddiya Lehmhütten benannt. (siehe: H. Niggemeyer, „Kuttia Kond, Dschungel-Bauern in Orissa“ 1955/56, München, 1964)

In dem 1960 christianisierten Adivasi-Dorf Balingi  steht heute noch der alte Opferstein für den pennu debotah, ihre ehemalige Natur-Gottheit. Hinter dem ehemals hüfttief herunter hängendem Grasdach hat jede Kondfamilie ihre zwei dunklen Schlafräume mit einer offenen Feuerstelle. Ihre Ziegen und Kühe pferchen sie dahinter unterm gleichen Dach und hinterm Haus halten sie einen boggiza, ihren Kleingarten. Der Barik, ihr Dorfbote, wohnte am Ende des Dorfes in seiner kleinen abgesonderten Hütte. (siehe auch: „Society, Marriage and Sacrifice in the Highlands of Orissa“, Dr. Hardenberg, Münster, 2005)                            

 Balingi, bei Lakshmipur,  1994.   Kuwi-Kond-Adivasi-Dorf mit
Opferstein und Barik-Haus (hinten quer)

foto: ESpk

Früher vor sechzig Jahren fand im heute christlichen Dorf Balingi noch ein Meriah-Büffelopfer statt an dem heute noch sichtbaren Opferstein. Die gurimai Dorf-Priesterinnen tanzten sich mit dem  rituellen Eisen-Schwert des Dorfes in Trance, während zwei dissari Naturpriester mit halbrasiertem Kopf, wie ihn auch die Kuwi-Kond Kinder trugen, den rituellen Pfahl mit dem pennu Erdgott von Hütte zu Hütte durch das Dorf trugen und pennu-puja Opferriten durchführten. 

Aber heute haben die Adivasi-Kond-Dörfer Elektrisch-Licht und eine TATA-pump, eine Handschwingel-Wasserpumpe direkt in der Mitte der Sai. In der heute zementierten Dorfstraße führt eine knietiefe Zementrinne von der Wasserstelle durch das Dorf und der Ältesten-Steinkreis ist hinter das Dorf verdrängt. Die Kondfrauen tragen heute schrill-bunte Bombay-Saris, mit der sich die Adivasi-Frauen indisch konform kleiden, und auch schon mal das neue nighty, das neumodische euroindische Einteiler-Überziehkleid aus Delhi. Manche alten Kond-Frauen findet man noch im weißen handgesponnenen Brust- und Hüfttuch,  der traditionellen Tracht, im einfachen Zweiteiler ohne blouse, ohne Bluse, und ohne pallu, dem Zipfel der Sari, mit dem sich die Kastenlosen Kopf und Gesicht bedecken müssen.


Konddorf
Bodisil
,
2015. foto:
KMarlange   

Ich habe oft die Kuwi-Rufgesänge im Adivasi-Bergland erlebt, wie diesen Rufgesang 1994, als junge Kondmädchen am gegenüberliegenden Berghang sich übers Tal mit meinen drei Kuwi-Kond-Weggefährten zuriefen. Spaßig jolten  Bijoy aus Gottigudda, Laban aus Bodisil und Pangi aus Doliambo den Frauen zurück und übersetzten es mir ins Oriya (und ich habe es später aus dem Gedächtnis erinnert und verdeutscht). Wir waren unterwegs auf dem Fußmarsch von Saptamaha nach Bodisil über das 1200 m hohe kahle alte Hochplateau im Adivasi Gebiet am Deo Mali Berg in Koraput District Odisha.

In ihrer Kuwi-Stammes-Sprache, in kuwi bascha, riefen die jungen Kondmaiden vom gegenüberliegenden Berghang herüber und unter aller Gelächter antworteten ihnen die Kondmänner im Echo zum Kuwi Echo-Lied.

                                         Rufgesang der KuwiKonds 1994             

Äyi! Äyi! ennaki-himji!  (Kuwi)      Woher  kommt ihr?

         – Wadu-kugammu!                  Kommt alle her!

Äyi! ihr schönen Kerle dort drüben!           Kommt doch rüber zu uns!

         – Äyi, wo seid ihr denn? Wir kommen schon zu euch Schönen!

Äyi, ihr traut euch ja gar nicht! Wir haben euch schon längst gesehen.

         – Wir kommen ja schon.  Aber im Fluss gibt es konkoddas, Krebse, die uns beißen!

Äyi, ihr Jungs aus dem bossti (aus der Stadt)! Habt ihr kein Lendentuch unter euren Jeans?

         – Wir kommen tammarò puhlò pain! (Oriya) eure schönen Blumen anzusehen!   

Hey, ihr Kondo-Ondo traut euch ja nicht! Ihr habt ja unterwegs all eure Sachen verloren!

  • Äyi, ame tame bibake nebbe! Wir rauben euch für die Heirat!

Nach dem Marsch mit meinen indischen Freunden und den Kuwi-Gesängen bereitete die Frau des Dorfältesten den Empfang des Foreigners und legte am Dorfeingang für den Welcome der hohen Besucher eine Schale rauchender Myrrhe auf den Erdboden.

Dorf-Feuer-Steinkreis von Putsil. 2010 Foto ES

Solche Rufgesänge der Kuwi-Konds hört man schon lange nicht mehr in den nun mit Jeep-roads erschlossenen Adivasi-Bergen und schon gar nicht im Mainstream der Oriya-Provinzstädtchen Odishas. Aber ihre Trommeln hört man noch, auch wenn die zunehmenden Besucher das Trommeln zum katta Erntefest schon längst nicht mehr vom biba natz, dem Trommeln zum Heiratstanz, unterscheiden können. Und die staatlich verordneten tribal festivals of Odisha zum angeblichen Erhalt von ethnic culture of thebackward people“ haben die indigenen Adivasi-Tanzrhythmen längst zu deshia music gemacht, zu elektrisch verstärkter Landmusik, mit dem indisch alles übertönenden E-Harmonium verflacht, verpoppt und weg assimiliert.

Die Kuwis haben den Oriya-Namen ´Kond` abgelegt, weil sie auf den Märkten und in den Straßen der Städtchen von den dombos, den Koraput- und Jeypore-Dalits, immer als die kondo ondo (wtl.: Kond Eier; gemeint: ´die nackten Konds`), als ´Weicheier`  gehänselt wurden. Die sobenannten „ellenbogen-starken“ Dalits wollen nicht mehr ´Dombo` (die „Arroganten“ in Oriya, Hindi, Sanskrit) genannt werden und setzen sich durch im Hindu-Mainstream mit ihrer nachgesagten traditionellen Gewandtheit.

                                           Konds auf dem Fußmarsch. Pendajam. Orissa. 1994. foto ES

Die Konds in Süd-Odisha haben ihre Zauberamulette abgelegt und die Kond Männer haben ihren Haarknoten abgeschnitten. Sie haben längst ihren Lendenschurz gegen deshia luga Western-Style-Klamotten getauscht und ihre Stammestraditionen und ihre tribal religion und ihre Kuwi Namen abgelegt. Die Jugendgeneration verliert und verlernt ihre Stammessprache, die Kuwi basha. Die  indischen Städter (und die wenigen westlichen Besucher) können die Adivasis  nicht von den Dalits oder Kastenindern in Odisha unterscheiden.

Die Adivasis werden in den indischen Mainstream assimiliert, auf Indisch heißt das integration.

johorrée! (Hallo und/oder Aufwiedersehen in Kuwi)         Erik Speck-Rosenbaum, Kiel, Juni 2021

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